Adventskalender: 13. Türchen

Eine letzte Mail. Liebesroman von Maximilian Dorner. Erster Teil: Juliane (27) hat sich während einer Reise nach Paris in Leander verliebt. Nach zweieinhalb Tagen ist sie überstürzt abgereist. Nun schreibt sie ihm Mails, eine nach der anderen …

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13. Türchen: Juliane an Leander nach dem Treffen in Berlin am 7. Oktober 1999

 

Lieber Leander,

wie beginnt man eine Mail, wenn man ein so unglaublich schlechtes Gefühl im Magen hat wie ich seit dem 1. Oktober? Meine Heiligen interessieren mich nicht mehr, die Intrigen meines Professors interessieren mich nicht mehr, nicht einmal meine Freunde interessieren mich zur Zeit. Eigentlich kann ich an nichts anderes mehr denken, als wie ich mich entschuldigen kann. Irgendwer hat mal gesagt, dass man aus Fehlern lernen würde. – Dieser Satz selbst ist ein Fehler.

War der verfluchte David an allem schuld? Sein gelangweilter Blick hat mich schon immer abgestoßen. Oder lag es an Berlin? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass unser Treffen komplett gescheitert ist. Warum bist du einfach aufgestanden und gegangen? Ich gebe zu, meine Bemerkung war unbedacht. Sie war nicht nur unbedacht, sondern sogar beleidigend. Aber sie war nicht so gemeint, und das hättest du eigentlich wissen müssen. Insofern war sie doch unbedacht.

Als ich reinkam, bis du mit verschränkten Armen dagesessen wie ein Richter, für den das Urteil schon vor der Verhandlung feststeht. Das hat mich völlig verunsichert. Dein Blick war so hart, nicht mehr so warm wie in Paris.

Ich hätte das einfach übergehen sollen und dich zu deinem Geschmack beglückwünschen. Das Lokal war perfekt – für einen erfreulichen Abend!

Schließlich hat mich völlig überfordert, dass du jeden Smalltalk übersprungen hast. „Worüber willst du reden?“, hast du gefragt – Worüber wohl? Diese Frage, obwohl eigentlich total naheliegend, hat mich vollends aus dem Konzept gebracht. Ich habe über sehr viel vorher nachgedacht, über dich und mich und uns und Paris, aber nicht darüber, worüber ich mit dir reden möchte. Das hätte sich doch von allein ergeben.

Dein Schweigen hat mich noch nervöser gemacht. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich sagen sollte. Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn man Müll redet. Ich wollte meine Unsicherheit mit einem Witz überspielen. Das geht oft schief. – Inzwischen frage ich mich, ob es überhaupt irgendeinen Satz gegeben hätte, nach dem du nicht gegangen wärst?

Nachdem du weg warst, hat der Kellner dein Mineralwasser vor mich geknallt. So vorwurfsvoll, wie man ein Glas nur hinstellen kann. Ich habe es natürlich nicht angerührt. Noch nie hat mich ein Gegenstand so beleidigt angesehen …

Gibst du mir noch eine Gelegenheit, mich persönlich zu entschuldigen? Wenn es sein muss, telefonisch. Ich kann auch wieder nach Paris kommen. Bitte glaube mir, dass ich mich das nächste Mal zusammenreißen werde. Bitte! – Vielleicht gelingt es uns irgendwann, wenigstens drei Tage vollzubekommen. Mehr möchte ich gar nicht mehr.

Bitte melde dich,

Juliane