Die Unterarme des Schreiners

Empfang des Oberbürgermeisters in München. Lauter Künstler, Politiker, Funktionäre. Ein paar Meter weiter steht ein junger Mann mit kurzem Hemd und wirklich beeindruckenden Unterarmen. Keine Fitnessstudio-Muskeln, sondern welche, die für irgendwas gut sind. Ich schicke – backfischfeige – meine beste Freundin los, ihn zu fragen, ob er Bildhauer sei und stelle mich dann neben die beiden. Er ist kein Bildhauer, sondern – noch besser: Schreiner. Das Gespräch vor allem mit seiner Begleitung versandet aber recht schnell. Nachdem wir uns verabschiedet haben, sagt er: “Das war jetzt wohl nicht das Gespräch über Bildhauerei, das ihr euch erwartet habt.”

Der Satz verfolgt mich über Stunden, denn er hatte ja Recht, insofern als ich nicht ehrlich war. Irgendwann gebe ich mir einen Ruck und suche ihn in der sich auflösenden Menge. Vor ihm stehend erkläre ich:  “Was ich vorhin eigentlich sagen wollte, ist: Du hast unglaublich sexy Unterarme.” – Nachdem der Schreiner charmant beiläufig klargestellt hat, dass die Begleiterin auch seine Freundin wäre, entspinnt sich ein wunderbares Gespräch. Er behauptet, dass ich überhaupt erst der zweite Mensch in seinem Leben sei, der ihm ein Kompliment mache (an der Stelle rufe ich natürlich dazwischen “Glaub ich nicht!”) und erzählt dann, dass er jetzt zwölf Jahre Single gewesen sei. Auf einmal ist da ein Sichöffnenkönnen, das nicht übergriffig ist, sondern wertschätzend, ein Vertrauensbeweis. Und alles eingeleitet von einem etwas abgegriffenen Kompliment. Ich nehme mir vor, in Zukunft öfter übergriffig zu werden.