Oft sagen Leute zu mir: “Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt mit Rollstuhl” – Normalerweise entgegne ich dann etwas wie “Ach, das ist ja interessant. Sie haben also noch nie auf einem Stuhl gesessen?” – Doch heute ist mir die notorische Gutgelauntheit abhanden gekommen, und das kam so.
München, um die sechs Grad, früher Oktober, halb neun am Morgen. Der Tag fühlt sich an wie später November. Dauerregen. Der Lift an meinem Arbeitsplatz ist für eine Woche kaputt, deswegen bin ich ausgelagert. Was eigentlich nicht so schlimm ist, denn der Auslagerungsort liegt näher an meiner Wohnung. Nun gut, heute muss ich trotzdem für einen Termin im Erdgeschoss in die Innenstadt. Also radle ich mit Handbike hin und bin nach dem Duschen das zweite Mal nass. Zurück dann mit der S-Bahn. Rosenheimer Platz: Lift kaputt. (Nachdem er ganze drei Tage funktionierte …) Also zurück in die nächste S-Bahn eine Station weiter und die Strecke zurückradeln. Zu spät, aber egal.
Termin reiht sich an Termin, am späten Nachmittag hektisch mit dem Handbike zum Ostbahnhof zurück, um in einem weit entfernten Tonstudio einen Text über eine Marienwallfahrt im Regen einzusprechen. Dabei jeweils das Handbike abmontieren, weil es nicht in den Lift passt. Auf den anderen Lift minutenlang warten, weil er voll ist. Zwei Leute bitten, einen die beiden Rampen hochzuschieben. Sich vom ersten Gefragten anknurren lassen. Schließlich mit der S-Bahn ans andere Ende der Stadt. Aussteigen. Lift kaputt. in die nächste S-Bahn einsteigen, nächste Station aussteigen – halt, riesige Schwelle zwischen Wagon und Bahnsteig. Also nicht aussteigen, sondern weiterfahren, Termin absagen, zurück zum Ostbahnhof, Handbike abmontieren … Bei der Störungsstelle anrufen, sich anraunzen lassen und mit Tränen in den Augen und Mordgedanken im Herzen nach Hause. So ungefähr kann man sich das mit Rollstuhl vorstellen an einem Tag wie heute.